Artikel #6: Pokémon-Mythologie – Teil Eins: Johto
Am Anfang war das Chaos.
Das Chaos war unendlich. Es hatte weder Anfang, noch Ende. Es war allumfassend und doch leer.
So, oder so ähnlich beginnen die Schöpfungsmythen unserer Welt. Überall wohin man schaut, quer durch alle Zeiten hindurch,
wann und wo immer es Menschen gab, da gab es auch Erklärungen für die Welt um sie herum. Warum ist der Himmel blau? Warum
versinkt die Sonne am Horizont und geht am nächsten Morgen wieder auf? Woher kommt das Feuer und warum blitzt es? Die
Menschen suchten Erklärungen für Phänomene, die sie sich nicht erklären konnten. Sie erschufen Wesen, deren Kräfte ihre
eigenen überstiegen, Wesen, die kontrollierten, was sie selbst nicht kontrollieren konnten. Hunderte, tausende dieser
Wesen und ihre Geschichten wurden über Generationen von Mensch zu Mensch weitergegeben. Von geflügelten Schlangen der
Maya und Azteken, hammerschwingende Krieger mit der Macht des Donners und der Blitze der Germanen, ein Gott mit dem
Kopf eines Falken bei den Ägyptern, bis zu Dämonen, die Wünsche erfüllen, wenn man sie korrekt beschwört, jede Kultur
hat ihre mythischen Gestalten. Noch heute findet sich Mythologie in vielen Bereichen unseres Lebens, besonders aber
in der Pop-Kultur. Filme, Bücher, Comics, Manga, Theater, Musik und auch Videospiele, immer wieder leihen sich Medien
bereits existierende Mythen und lassen sich von ihnen inspirieren. Pokémon bildet da keine Ausnahme und wenn man sich
die Geschichten hinter manchen der Taschenmonster ansieht, findet man einige sehr interessante Übereinstimmungen mit den
Mythen unserer eigenen Welt.
Daher widmen wir uns in diesem dreiteiligen Artikel der Pokémon-Mythologie, die jetzt über zwanzig Jahre hinweg konstant weiter aufgebaut wurde.
Teil Eins setzt sich dabei mit den Sagen Johtos auseinander, Teil Zwei mit denen von Hoenn und Teil Drei mit den Legenden Sinnohs.
Das bedeutet nicht, dass die Generationen fünf bis sieben nicht auch in Zukunft Teil eines Artikels werden können. Solltet ihr Interesse daran haben,
auch die mythologischen Hintergründe dieser Generation zu untersuchen, würden wir uns über Rückmeldungen freuen!
Pokémon-Mythologie
Teil Eins: Johto
„Ihr Vogel ist gerade in Flammen aufgegangen!“ „Ja, das passiert ab und an.“
Westlich von Viola City stehen inmitten eines Waldes antike Ruinen. Es ist nicht bekannt, welcher Stamm diese Tempelanlagen erbaute, doch Archäologen sind sich sicher, dass dort vor langer, langer Zeit Menschen und Icognito zusammen lebten. Neben antiken Schriften und mysteriösen Puzzles findet man hier auch die erste Abbildung des legendären Pokémon Ho-oh.
Ho-oh ist ein riesiges, vogelartiges Pokémon, dem vor allem in Johto gehuldigt wird. Besonders markant sind seine Federn, die in sieben Farben leuchten.
Fliegt es über den Himmel, so entsteht ein Regenbogen.
Die Verehrung des Schutzpatrons des Himmels geht bis in die Zeit der Erbauung der Alph-Ruinen zurück. Im späteren Verlauf der Geschichte Johtos
wurde ihm zu Ehren der Glockenturm, auch als Zinnturm bekannt, in Teak City errichtet, in dem die Menschen zu ihm beteten. Sein Anblick wird als
Zeichen des Glücks und als gutes Omen betrachtet. Heutzutage ist Ho-oh nur noch eine Legende. Seit langer Zeit hat niemand mehr den Schutzpatron
des Himmels sehen können, denn eine Tragödie trieb Mensch und Legendäres auseinander.
Genauso, wie Ho-Oh sein Gegenstück im Schutzpatron des Meeres, Lugia, hat, hatte auch der Zinnturm lange Zeit ein Gegenstück. Der Bronzeturm jedoch fiel einem Feuer
zum Opfer, das drei Tage lang wütete und dabei drei Pokémon tötete, ehe ein heftiger Regenschauer es endlich löschte. Ho-Oh schenkte den drei verstorbenen Pokémon mit der
Zauberasche neues Leben und Suicune, Entei und Raikou waren geboren. Die Macht, die Toten wiederzuerwecken, rief in den Menschen jedoch Angst und Gier hervor. Manche
fürchteten den Schutzpatron wegen seiner Fähigkeiten, andere wiederum wollten es fangen und seine Macht für ihre eigenen Zwecken nutzen. Ho-Oh ließ den Zinnturm
hinter sich und floh, versteckte sich vor der Gefahr, die die Menschen für es darstellte, und zeigt sich seitdem nur noch äußerst selten.
Eine andere Legende, die sich um Ho-Oh rankt, dreht sich um die Silberkonferenz, der Pokéliga Johtos. An dem Ort dieses Wettkampfes wütete einst ein
erbitterter Krieg, der das Land unfruchtbar und zerstört zurückließ. Erst Ho-Ohs Läuterfeuer, das sich über die kahle Erde zog, revitalisierte es und
brachte neues Leben hervor. Als alle Flammen vergangen waren, loderte eine letzte in den Ästen eines einzelnen Baumes wieder. Dieses Feuer wird noch
immer in einem Schrein im Silberberg gehütet und dient als Mahnung vor Kämpfen und Krieg, die so vieles zerstören. Jedes Jahr zur Silberkonferenz trägt
ein Läufer eine mit diesem Feuer entzündete Fackel zur Arena und entfacht dort eine Schale.
So viel zur offiziellen Lore von Ho-Oh in der Welt der Pokémon. Vermutlich haben die meisten von euch schon begriffen, an was der Schutzpatron des Himmels angelehnt ist.
Einen kleinen Hinweis bietet der japanische Name ホウオウ („Houou“), was übersetzt so viel wie „Phönix“ heißt.
Okay. Zugegeben, das war weniger ein Hinweis als ein komplettes Vorsagen. Egal. Weiter im Text.
Die Parallelen zum Phönix-Mythos sind kaum immerhin zu übersehen. Wir haben einen Vogel vom Typen Feuer, der Phönix wird mit Feuer assoziiert.
Ho-Oh verkörpert wie auch sein Element den Aspekt der Wiedergeburt und das gleich in mehreren Wegen. Zum einen erweckt es die drei Hunde nach
einem Feuer zurück zum Leben, zum anderen verbrennt es mit seinem Läuterfeuer die vom Krieg zerstörte Gegend um den Silberberg herum, wodurch
dort neues Leben entstehen kann. Ähnlich wie das Land nach einem Vulkanausbruch durch die Nährstoffe in der Asche wieder fruchtbar wird, scheint
auch die durch Ho-Ohs Läuterfeuer entstandene Asche Nährboden für neues Leben zur werden. Die Welt vergeht in Flammen- nur um dann wieder aufzuerstehen.
Genauso wie der mythologische Feuervogel, der am Ende seines Lebens in Flammen aufgeht und zu Staub zerfällt, um aus eben diesem wiedergeboren zu werden,
so verschlingt das Feuer in den Ho-Oh-Mythen das Leben, um neues zu geben. Dass Ho-Oh das Item „Zauberasche“ nutzte, um die drei Hunde wiederzuerwecken,
ist dabei sicher kein Zufall. Denn wie heißt es doch so schön: Wie ein Phönix aus der Asche.
Allerdings spielt in Ho-Ohs Design auch noch ein ganz anderes mythologisches Wesen mit hinein, denn während der Phönix überwiegend rot wie Feuer, sein Element,
dargestellt wird, finden wir in Ho-Oh noch ganz andere Farben. Tatsächlich erinnert sein Design stark an den Fenghuang, ein Fabelwesen der chinesischen Mythologie.
Es besitzt die für den Fenghuang typischen Farben Grün, Weiß, Rot, Schwarz und Gelb, jede Farbe hat dabei eine besondere Bedeutung. So steht zum Beispiel Grün für
Güte und Gelb für Treue. Auch der Fenghuang steht für Glück und wird mit Feuer assoziiert, allerdings behandelt sein Fortpflanzungszyklus weitaus weniger Flammen,
Asche und Auferstehung, dafür aber mehr handelsübliche Eier.
Zuletzt noch eine kleine Information, die vielleicht erst am Ende dieses Artikels wirklich Sinn macht. In der chinesischen Kultur gibt es vier sehr wichtige
Sternenkonstellationen, die als „Wundertiere“ bezeichnet werden. Der rote Vogel, Zhū Què, ist einer davon, er steht für den Süden und den Sommer, zeichnet
sich durch sein fünf-farbiges Gefieder aus und ist in Flammen gehüllt, weswegen er oftmals mit dem Phönix verglichen wird, aber von diesem und auch den
Fenghuang abzugrenzen ist. Auch hierher könnte ein Teil der Inspiration für Ho-Ohs Design stammen, und auch, wenn es jetzt noch unwahrscheinlich scheint-
wenn wir uns um den zweiten Schutzpatron Johtos kümmern, ergibt diese Information vielleicht etwas mehr Sinn.
Leider ist Ho-Oh so ziemlich das einzige Legendäre der zweiten Generation, das so offensichtlich in seiner Mythologie ist. Deswegen bereitet ihr euch besser jetzt schon auf etwas obskurere Herkunfts-Theorien vor. Und sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt!
Die dreisten Drei in „Vielleicht war es doch keine so gute Idee, ein Lagerfeuer zu machen…“
Man erzählt sich, dass vor langer Zeit drei Pokémon mit unglaublichen Fähigkeiten existierten, Fähigkeiten so groß, dass nicht einmal die Pokémon selbst
sie kontrollieren konnten. Eines Tages geriet ihre Macht endgültig außer Kontrolle. Versteckt in einem Turm, der dem Schutzpatron des Meeres gewidmet war,
entfesselten sie ein Feuer, das dieses Denkmal drei Tage lang gänzlich verschluckte. Erst ein heftiger Regenschauer konnte es löschen, doch für die drei Pokémon war es bereits zu spät.
Dann jedoch erschien Ho-Oh. Mit seiner Zauberasche erweckte es die verstorbenen Wesen zu neuem Leben und gewährte ihnen damit neue Kräfte und ein neues Aussehen. Die drei Wesen waren
fortan bekannt als Entei, Raikou und Suicune. Verängstigt von der Macht dieser neuen Pokémon attackierten die Menschen sie und so flohen die drei Raubkatzen aus Teak City und
verschwanden in drei Himmelsrichtungen. Auch heute noch jagen Entei, der Löwe mit der Macht des Feuers und des Magma, Raikou, der Tiger, der mit den Blitzen rennt und dessen
Gebrüll klingt wie Donner, und Suicune, der Gepard mit dem eisigen Nordwind im Rücken, durch Johto. Nur reinen Herzen offenbaren sie sich, immer darauf wartend, dass die
Menschen eines Tages bereit dazu sind, ihnen friedlich zu begegnen.
Die drei Raubkatzen gelten zudem als Wächter von Coronia City, einer Stadt in Sinnoh, die durch das Zusammenarbeiten von Menschen und Pokémon geprägt ist.
Kommen wir nun also zu den drei Hunden. Oder doch Raubkatzen?
Wie angekündigt sind diese drei etwas weniger einfach zu decodieren. Zum einen haben wir relativ wenige Quellen, was ihre Herkunft betrifft, zum anderen
wiedersprechen Enteis Pokédex-Einträge auch noch der offiziellen Pokémon-Mythologie. Denn laut diesen wird bei jedem Vulkanausbruch ein neues Entei
geboren, was im Umkehrschluss bedeutet, dass Ho-Ohs Wiederauferstehungstrick eigentlich für die Katz (oder den Hund) war. Zum anderen ranken sich um die
drei auch einige Fantheorien. Die prominenteste bezieht sich auf ihr Leben prä-Auferstehung, denn die Legende macht recht deutlich, dass die Pokémon in ihrem
vorherigen Leben keinen Namen hatten. Das könnte bedeuten, dass wir es mit für uns unbekannten Spezies zu tun haben, denn warum nennt man das Pokémon nicht beim
Namen, wenn man es könnte? Andere wiederum denken, dass sie genau wissen, welche Pokémon bei diesem bedauernswerten Unfall ihr Leben ließen. Feuer, Wasser und
Blitz, kommt euch diese Zusammenstellung bekannt vor?
Richtig erraten. Die Theorie besagt, dass Entei, Raikou und Suicune in ihrem letzten Leben ein Flamara, Blitza und Aquana waren. Klingt an den Haaren herbeigezogen?
Vielleicht. Dann allerdings erinnert man sich an die Kimono-Girls aus Teak City, deren Aufgabe es war, mit ihrem Tanz Ho-Oh und
Lugia in den Zwillingstürmen zu huldigen, und erinnert sich an deren Team. Kleiner Tipp: Ihre Jugend verbrachten die Damen mit
konstanten Diskussionen darüber, welche nun die beste Eeveelution ist. Vielleicht ist eine Verbindung dieser Dinge also doch nicht ganz so abwegig, wie gedacht.
So viel zur Ingame-Lore. Kommen wir nun zum spannenden Teil: Wie genau passen die drei Katzen-Hunde denn in unsere Mythologien? Und wie erwähnt wird es hier
etwas komplizierter, denn wir tauchen in die Welt der chinesischen Fabelwesen und Symbolik ab.
Fangen wir mit Suicune an. Das grazilste Pokémon in unserem Katzen-Hunde-Trio besitzt nicht die offensichtlichste Ähnlichkeit mit einem echten Tier wie etwa
Raikou mit einem Tiger und Entei mit einem Löwn, scheint aber an einen Geparden oder Leoparden angelehnt zu sein, wenn man seinen Körperbau betrachtet. Während
es in der chinesischen Symbolik zwar den Leoparden gibt, steht dieser dort für Grausamkeit und Wildheit. Bedenkt man nun jedoch Suicunes Beschreibung als „rein wie
eine Quelle“ und seine Lieblingsbeschäftigung, das Reinigen von verdreckten Quellen, scheint das nicht so ganz ins Bild zu passen. Allerdings stand der Leopard in der
Quing Dynastie als Symbol für den dritten Offiziersrang, was später noch interessant wird. Fürs erste weichen wir aber vom Leoparden ab und wenden uns einem Wesen zu,
das im Englischen oft als „Einhorn“ übersetzt wird, was wieder einmal zeigt, dass Google-Übersetzer nicht immer unser Freund ist: Der… Die… Das Quilin.
Das Quilin steht für Reichtum und Ruhe, was schon mehr zu Suicunes Quellen-Geschichte passt. Zwar wird es oft als ähnlich einem chinesischen Drachen beschrieben, allerdings
sind sich die Legenden bei diesem Wesen so uneinig, dass es körperlich sowohl die Form eines Ochsen, Rehs, Hirschs, aber auch die einer Giraffe haben kann. Interessant ist
aber, dass sie oft langes, fließendes Haar besitzen und manche auch die Schnurrhaare und Schuppen eines Welses (beides kann man mit gutem Willen in Suicunes Design finden,
wenn man die weißen Stränge und die Diamanten auf seiner Haut betrachtet), auch werden sie oft mit Juwelen in Verbindung gebracht, von denen Suicune zufälligerweise eines
auf der Stirn trägt. Doch beim Aussehen hört es nicht auf. Der Sage nach ist das Quilin so friedfertig und lebensbejahend, dass es sich weigert, auf Gras zu gehen, in der
Angst, dabei ein unschuldiges Lebewesen zu töten. Stattdessen gehen sie also auf Wolken oder über Wasser, letzteres konnten wir sowohl in den Spielen, als auch im Anime
sehen. Weiterhin steht das Quilin auch für Glück, Schutz, Erfolg und Fruchtbarkeit. Wasser, Suicunes Element, wird oft mit Leben in Verbindung gebracht. Und zuletzt
stand das Quilin in der Quing Dynastie für den ersten Offiziersrang. Schön merken, das wird noch wichtig.
Raikou an zweiter Stelle hat augenscheinlich eine gewisse Ähnlichkeit zu einem Tiger, was hier aber eher für Verwirrung sorgt als für Klarheit,
denn dadurch können wir gleich zwei Interpretationen wagen. Die erste bezieht sich auf den japanischen Raijū, ein mythologisches Wesen, das gänzlich aus
Blitzen besteht und dabei eine Vielzahl an Gestalten annehmen kann, so auch, ihr habt’s bestimmt schon erraten, die eines Hundes. Oder einer
Katze. Oder beides. Und irgendwie ist der Name schon ein ziemlich großer Schubs in diese Richtung.
Bleiben wir allerdings auf dem asiatischen Festland, finden wir auch hier einige interessante Übereinstimmungen. Der Tiger steht in der chinesischen
Symbolik nämlich für Mut und Tapferkeit, außerdem galt er in der Quing Dynastie als Symbol für den vierten Offiziersrang. Auch findet man den
Tiger im chinesischen Tierkreis und den weißen Tiger als Sternenkonstellation, der den Westen und den Herbst repräsentiert. Assoziiert man
dabei Entei mit seinem Feuer als Sommer, Suicune mit seinem eisigen Wind als Winter und Ho-Oh als Zeichen der Auferstehung und des Neubeginns als Frühling, hat man das ganze Jahr beisammen.
Als letztes haben wir dann noch Entei, dessen Körperbau und mähnenartiges Haar es etwas einfacher macht, es mit einem Löwen in Verbindung zu bringen.
Und tatsächlich spielen Löwen in der chinesischen Kultur eine recht große Rolle. Betrachtet man die Symbolik, steht er für Schutz und zeigte in der
Quing Dynastie den zweiten Offiziersrang an, sodass wir jetzt Rang 1, 2 und 4 beisammen haben, denn wie erwähnt zieht der Gepard für Suicune nur bedingt.
Zufall? Ich glaube nicht!
Nun aber zurück zu Entei: Bestimmt habt ihr auch alle schon einmal von den chinesischen Wächterlöwen gehört, Statuen, die die Eingänge bestimmter
Gebäude bewachen sollen. Diese wurden häufig aus dekorativem Stein oder auch aus Eisen oder Bronze hergestellt und waren stark stilisiert. Eventuell
sind die metallenen Bänder um seine Beine, die Maske vor seinem Gesicht und die grauen Stacheln aus seinem Rücken daran angelehnt? Die gräulichen Wolken
jedenfalls stehen mit ziemlicher Sicherheit für die Rauchwolken bei einem Vulkanausbruch, die es, laut Pokédex-Einträge, mit seinem Brüllen auslösen kann.
Interessant ist auch, dass Entei, anders als Suicune und Raikou nicht direkt mit dem Wetter verbunden ist. Erst, wenn man die Trophäen Info aus Super
Smash Bros. Brawl mit einrechnet, bringt es die Sonnenwärme mit sich. Aber wer geht denn schon so weit?
Immer noch dabei? Gut! Dann schnallt euch an, denn der Trip wird nur noch abwegiger und führt uns tief, tief nach unten. Habt ihr alle eure Taucheranzüge dabei? Nein? Tja, äh… Jetzt ist es eh zu spät. Hoffen wir, dass ihr gut darin seid, euren Atem anzuhalten.
Under the sea, darling it's better down where it's wetter, take it from me!
Im Meer vor Oliviana City, umgeben von tödlichen Unterwasserstrudeln und Felsen, existieren Inseln, die in Johto als die Strudelinseln bekannt sind.
Schiffe umfahren dieses Gebiet, denn das stürmische Wasser ist tückisch und hat bereits so manchen Matrosen in die Tiefe gezerrt. Glaubt man den Seefahrern,
so hört man in dieser Umgebung tiefe, klangvolle Rufe. Manche schwören, dass unter ihren Schiffen ein gigantischer Schatten aufgetaucht ist, nur, um dann
wieder zu verschwinden. Der Legende nach sind die Strudelinseln der Rückzugsort für den Schutzpatron des Meeres, Lugia. Mit nur einem Schlag seiner Flügel
kann es einen Sturm entfesseln, der vierzig Tage lang anhält. Doch manchmal erscheint es auch als Retter der Seeleute im Sturm, bewahrt Schiffe vor dem
Sinken und führt die Matrosen sicher zurück ans Festland.
Vor vielen, vielen Jahren standen in Teak City zwei Türme. Der Zinnturm war Ho-Oh gewidmet, der Bronzeturm Lugia. Eines Tages brach im
Bronzeturm ein heftiges Feuer aus, das drei Tage lang wütete und den gesamten Turm mit seinen Flammen verschlang. Erst ein heftiger Regenschauer
konnte dem Feuer Einhalt gebieten. Zurück blieben nur die Turmruinen der heiligen Stätte, denn Lugia verließ Teak City und ward seitdem nie mehr
gesehen. Doch sollte der Auserwählte die Gischtglocke und eine von Lugias Federn durch die stürmische See zu den Strudelinseln bringen, so würde der
Tanz der Kimono-Girls den Beschützer der Meere zu ihm führen.
Eine andere Legende erzählt man sich in Shamouti, einer der Orange-Inseln. Wenn die Wächter der Feuer-, Eis- und Donnerinsel,
Lavados, Arktos und Zapdos, in Streit geraten und ihre Kräfte den Frieden bedrohen, so muss ein Auserwählter die drei Kristallkugeln
der legendären Vögel im Schrein von Shamouti platzieren. Wird dann Lugias Lied gespielt, erscheint der Wächter der Meere und steht dem
Helden zur Seite um das drohende Unheil abzuwenden. Noch heute findet jedes Jahr ein Fest zu Ehren dieser Legende statt und als Erinnerung daran, dass Lugia immer über Shamouti wacht.
Oh Junge. Lugia. Wo fangen wir bei dir am besten an?
Für Lugia setzt Pokémon alle geltenden Gesetze aus. Mit wenigen Ausnahmen sind die legendären Pokémon geschlechtslos, was auch bedeutet,
dass man sie nicht züchten kann. Damit stellt sich natürlich die Frage, wie genau sie sich fortpflanzen, oder ob die werten
Pokémon-Gottheiten unsterblich sind und sich deswegen überhaupt keine Sorgen um die Erbfolge machen müssen. Und dann kommt Lugia und wirft das Prinzip über Bord,
denn in einigen Folgen des Anime gibt es ein süßes kleines Baby-Lugia.
Und wie wir alle im Biologieunterricht gelernt haben, entstehen Babys, wenn sich Mama Lugia und Papa Lugia ganz doll lieb haben. Nur haben
die Spiele diese Memo scheinbar nicht erhalten, denn dort ist es uns immer noch untersagt, eine Lugia-Zucht-Station zu eröffnen. Was vielleicht gar nicht so
schlecht ist, wenn man bedenkt, dass Babys ihre Kraft nicht gut einschätzen können und spätestens nach zwanzig Tagen Dauersturm durch munteres Flügelschlagen
wünscht man sich vermutlich, die Kleinen auf den Strudelinseln aussetzen zu können.
Auch bei Lugia ist es gar nicht so einfach, ein Vorbild in unserer realen Mythologie zu finden. Es ist möglich, dass man sich von 海神, Watatsumi,
einem legendären japanischen Wassergott in Form eines Drachen hat inspirieren lassen, der laut den Legenden ein Sohn von Izanagi und Izanami, zwei
sehr wichtigen Gottheiten des Shintoismus, ist. Eine andere Legende dagegen spricht davon, dass drei Watatsumis entstanden, als Izanagi sich in
einem Ritual von seiner Reise in die Unterwelt reinigt. Diese drei beherrschen, wenn man sich auf ihre Namen bezieht, jeweils unterschiedliche
Tiefen des Meeres, die Oberfläche, die Mitte und die Tiefen.
Eine andere Interpretation findet sich in der chinesischen Kultur. Zum einen steht der Drache in der chinesischen Symbolik für Macht, Stärke,
göttlichen Schutz, aber auch für den Regen. Und erinnert ihr euch noch an Zhū Què, den roten Vogel, der den Süden repräsentiert? Im Osten
finden wir die Sternenkonstellation Qīng Lóng, den blauen Drachen, der für den Frühling steht. Interessanterweise hat Lugia, genauso wie
Ho-Oh, drei Legendäre, zu denen es eine besondere Verbindung besitzt: Arktos, der eisige Winter, Lavados, der flammende Sommer, und
Zapdos, der stürmische Herbst. Zugegeben, diese Interpretation erscheint einigen vermutlich recht weit hergeholt, besonders,
wenn man bedenkt, dass sich die Strudelinseln Johtos, die Lugia als seine Sommerresidenz ausgesucht hat, im Westen der Region befinden.
Für die Richtigkeit all dieser Theorien übernehmen wir also keine Verantwortung!
Ein letztes Legendäres finden wir in Generation Zwei noch, also keine Sorge. Dieser Trip ins Wunderland der mythologischen Gedankensprünge und munteres nach Strohhalmen greifen ist bald zu Ende.
Transchronologisches Versteckspiel
Tief im Dickicht des Steineichenwaldes westlich von Azalea City steht schon seit langer Zeit ein Schrein. Anders als die Türme der
Schutzpatronen Johtos, die hoch über die Baumwipfel hinweg ragen, ist dieser jedoch klein und bescheiden. Dieser Schrein ist Celebi
gewidmet, der Stimme des Waldes.
Den Legenden nach wachsen überall dort, wo es erscheint, Gräser und Bäume. Doch zeigt sich dieses Pokémon nur in Zeiten des Friedens,
denn es verabscheut Krieg und Gewalt. Spürt es also Feindseligkeit, so sagt man, öffnet es ein Portal und wandert durch die Zeit,
immer auf der Suche nach einem Moment des Friedens. So ist es ihm auch möglich, an mehreren Orten gleichzeitig zu sein, und sogar
beliebig viele Wesen mit sich durch die Zeit zu nehmen. Verschwindet ein Celebi in einem Wald, so taucht dort laut den alten
Sagen ein geheimnisvolles Ei aus der Zukunft auf, obwohl es nicht klar ist, welches Pokémon aus diesem schlüpft.
Eine andere Legende verbindet Celebi mit der Region Orre. Dort, in einem Sanktuarium im Wald hinter Emeritae, wird dem zeitreisenden Wächter
des Waldes gehuldigt. Der Sage nach wird es dort erneut erscheinen, wenn jemand im Sanktuarium die Zeitflöte spielt. Celebi besitzt
zudem die Macht, Crypto-Pokémon zu erlösen, auch, wenn bisher noch unklar ist, was ihm diese Kraft verleiht.
Celebi scheint, im Gegensatz zu den anderen Legenden über die wir gesprochen haben, keine große Verbindung zu den chinesischen Mythen zu besitzen,
obwohl sein Schrein ganz deutlichen, asiatischen Einfluss hat. Wir begeben uns stattdessen in die Gefilde der nordischen und keltischen
Mythologie, mit einem kleinen Schwenker in Richtung der alten Griechen.
Von Feen wird vermutlich jeder schon einmal gehört haben. Diese stammen ursprünglich aus den keltischen und romanischen Mythen,
wo sie unter anderem als Elementargeister auftreten, die heiter sind, besonders schön und niemals altern. Noch dazu gelten sie
als ein Symbol des Glücks und verkörpern das Gute. Sie leben in Wäldern, Felsgrotten und ruhigen Gewässern. Das Konzept von
Elementargeistern war dabei weit verbreitet und findet sich in vielen Mythologien und Legenden wieder. Die Griechen zum Beispiel
erzählten von den Nymphen, deren Leben mit Bestandteilen der Natur verbunden waren. Eine Dryade teilte sich ihre Lebensenergie
mit einem Baum, verletzte also jemand ihren Baum, so litt auch die Dryade diese Schmerzen. Sie bestraften auch all diejenigen,
die einem Baum Schaden zufügten, ohne dessen Dryade vorher anzurufen. Also "anzurufen" im Sinne von „anzubeten“. Als Nymphen
hatten Dryaden nie eine besondere Beziehung zu Technik und entsprechend fiel es ihnen schon immer schwer, mit Smartphones umzugehen.
Elfen sind ebenfalls in die Klasse der Naturgeister einzuordnen, auch, wenn ihr nordischer Ursprung sie nicht so stark in die Richtung
des Waldes zu rücken scheint. Im Mittelalter dagegen wandelte sich ihr Image und der Alb, ein anderer Name für die Elfe, wurde zu einem
bösartigen Kobold, der sich nachts auf die Brust des Schlafenden legt und so für Atemnot sorgt, was für Albträume sorgen soll. Heutzutage
assoziieren wir dank moderner Literatur und Popkultur Elfen eher mit groß gewachsenen, zarten, aber intelligenten Wesen, während Feen auch etwas frech sein können.
Schaut man sich Celebis Namen genauer an, kann man zu mehreren Interpretationen kommen. Zum einen findet man Bestandteile des englischen „Celestial“, zu Deutsch „himmlisch“,
oder „Serenity“, auf Deutsch „Ruhe“ und „Gelassenheit“, in Verbindung mit dem japanischen 美, „bi“, für Schönheit. Eine andere Möglichkeit wäre das griechische „bios“,
das man auch in Worten wie „Biologie“ findet und das übersetzt „Leben“ heißt. Alle Möglichkeiten rücken Celebi stark in seine Rolle als Wächter und Stimme des Waldes.
Interessanterweise ist sich die Lore auch bei Celebis Geschlecht nicht ganz einig. Während es in den Hauptspielen kein offizielles Geschlecht besitzt,
wird das Shiny-Celebi, dem man in Pokémon Mystery Dungeon 2 begegnet als „Sie“ angesprochen, folglich ist es dort weiblich. Auch sehen wir hier seine Macht,
mehrere Wesen durch die Zeit zu transportieren, eine Fähigkeit die uns im Laufe des Spiels gleich mehrmals den Allerwertesten rettet.
Und damit haben wir jetzt alle Legendären der zweiten Generation erkundet und versucht, Bezüge zwischen ihnen und realen Mythen herzustellen. Wie ihr seht spielen asiatische Mythologien, besonders die chinesische und japanische, eine wichtige Rolle in ihren Designs, was vermutlich kaum jemanden überrascht, schaut man sich Teak City mit seinen klaren Shinto-Einflüssen an.
Im nächsten Artikel unserer munteren Mythologie-Jagd dreht sich dann alles um die dritte Generation und so viel können wir schon jetzt verraten: unser Fokus wird die jüdische Mythologie sein. Vielen Dank also fürs Lesen und bis zum nächsten Mal!