Hintergrundwissen - Metagame
Wer über das Pokémon TCG redet, kommt um den Begriff "Metagame" kaum noch herum. Auch in anderen großen Sammelkartenspielen und sogar im Pokémon Videospiel hat dieses Wort eine hohe Bedeutung. Doch was ist eigentlich ein "Metagame" und wie entsteht es?
Zunächst einmal schauen wir uns das Wort selbst an. "Meta" ist eine geläufige altgriechische Vorsilbe mit vielen Bedeutungen, in diesem Fall trifft wohl am ehesten etwas wie "bei", "neben", "mit" zu. Zusammen mit dem englischen Wort "game" kann der Begriff frei als "das Spiel neben uns" oder treffender "das, was um uns herum gespielt wird" übersetzt werden, was im Groben auch der Bedeutung des Wortes entspricht.
Das Metagame ist etwas, das von vielerlei Einflüssen bestimmt wird. Im Falle des Pokémon TCG zunächst einmal von dem vorhandenen Kartenpool, also allen Karten, die im aktuellen Turnierformat erlaubt sind. Da etwa alle drei Monate eine neue Erweiterung erscheint, ändern sich dieser Kartenpool und somit auch die Voraussetzungen für das Metagame ständig. Zum anderen ist jeder einzelne Spieler Teil des gesamten Metagames, wobei der Einfluss eines Spielers auf das Metagame höher ist, je erfolgreicher dieser Spieler auf Turnieren abschneidet. Spielen mehrere Spieler auf einem Turnier das gleiche Deck, so kann man es als wichtigen Bestandteil des lokalen Metagames bezeichnen, was oft mit dem konstruierten Adjektiv "meta" abgekürzt wird.
Damit haben wir auch schon das Grundprinzip, wie ein lokales Metagame entsteht. Wie die Bezeichnung "lokal" schon andeutet, bezieht sich dieses Metagame auf bestimmte an einem Ort immer wieder anzutreffende Spieler und damit auch auf eine bestimmte geographische Region. Diese Spieler lernen voneinander, während sie versuchen, sich gegenseitig zu schlagen. Sie werden ihre Decks dem lokalen Metagame anpassen, es sei denn, die haben kein Interesse am Erfolg und spielen einfach aus Spaß mit, den sie auch dann haben, wenn sie oft verlieren.
Im Allgemeinen läuft die Entstehung eines Metagames nach der Erscheinung einer neuen Erweiterung immer ähnlich ab. Einige Spieler setzen auf bereits bewährte Decks, weil sie sich damit sicherer fühlen. Andere probieren neue Decks mit neuen Karten aus, von denen wiederum einige erfolgreich sind und andere weniger erfolgreich. Auf die erfolgreichen Decks werden andere Spieler aufmerksam und spielen sie ebenfalls, und sobald ein Deck besonders häufig anzutreffen ist, überlegen sich einige Spieler, wie sie das Deck kontern können oder welche anderen bekannten Decks dagegen gute Chancen haben.
Ganz so einfach ist es jedoch nicht, denn durch das Internet kommt noch ein weiterer Faktor hinzu, der sich maßgeblich auf jedes lokale Metagame auswirkt - der internationale Austausch. In Foren wird über Decks diskutiert, die viel versprechend aussehen, es werden Turnierergebnisse veröffentlicht, die zeigen, was sich bewährt hat. Diese bilden dann das globale Metagame, das sich einerseits aus unzähligen lokalen Metagames zusammensetzt, andererseits aber auch diese wiederum beeinflusst. Decks, die vorher in einer Region nie zu sehen waren, werden von Spielern im Internet entdeckt und ausprobiert, wodurch sie dann auch in deren Heimat bekannt werden.
Das globale Metagame wird, je nach Stärke und Erfolg von Decks, in Klassen eingeteilt, sogenannte "Tiers". Man spricht meist bei den besten bekannten Decks von "Tier 1", bei anderen guten Decks von "Tier 2" und bei Decks, die sich als weniger schlagkräftig erwiesen haben, von "Tier 3". Dabei kann sich die Einstufung dieser Decks mit neuen Erweiterungen, mit dazukommenden oder ausbleibenden Erfolgsserien oder auch mit der Verschiebung anderer Decks ständig verändern.
Beleuchten wir das ganze mal an einem aktuellen Beispiel. Zwar kann man sich über einzelne Einstufungen streiten, aber es verdeutlicht doch recht gut das Prinzip. Bevor die Erweiterung "Noble Victories" erschienen ist, hatten wir ein Metagame, bei dem die Top-Decks Reshiram mit Typhlosion (TyRam), Zekrom mit Pachirisu, Shaymin und Tornadus (ZPST) und Gothitelle mit Reuniclus waren. Die aus dem früheren Format bekannten Decks mit Donphan, Yanmega und Zoroark sowie die auf der Weltmeisterschaft erfolgreichen Decks Magnezone mit Emboar (MagneBoar) und Magnezone mit Yanmega wurden immer noch gespielt, aber nahmen immer weiter ab. Durch den Erfolg des Vizemeisters Ross Cawthon wurde das neue Deck The Truth, bestehend aus Donphan, Vileplume, Reuniclus und einigen Techs, gespielt, schaffte es aber nur in den "Tier 2" Rang. Ein gutes Beispiel für ein lokales Metagame war außerdem, dass im Großraum von Nordrhein-Westfalen Lanturn mit Yanmega sehr erfolgreich war, was aber im Rest von Europa nur wenig gespielt wurde. Dies mag auch unter anderem an der hohen Präsenz von Reshiram-Decks in dieser Region liegen, die durch Lanturn und Pokémon Catcher sehr gut zu schlagen waren.
Mit der Erscheinung von "Noble Victories" gab es zahlreiche neue Decks, die nun spielbar waren. Offensichtlich war es, in Magnezone- und Zekrom-Decks nun Eelektrik zu spielen, zumal der vorige Magnezone-Partner Yanmega zunehmenden weniger effektiv im neuen Metagame wurde, und die meisten Spieler inzwischen gelernt hatten, wie sie reine ZPST-Decks sehr einfach ausspielen konnten. Mit Kyurem wurde viel experimentiert, letztendlich setzte sich die Version "CaKE" durch, die auf Kyurem und Cobalion mit Electrode zur Unterstützung baut. Daneben traten auch noch weitere komplett neue Decks auf den Plan. Durant ist vom Prinzip her einfach und wurde zuerst als Fun-Deck angesehen, dann aber immer mehr perfektioniert und kann inzwischen fast schon die Klassifizierung "Tier 1" tragen. Vanilluxe mit Victini und Vileplume wurde zu Anfangszeiten gerne gespielt, da es eine hervorragende Antwort auf Zekrom und vor allem auf Reshiram bot. Ein weiteres Deck, das erst etwas später als die anderen den Plan betrat, vertrieb Vanilluxe jedoch schnell wieder. Chandelure, das zusammen mit Vileplume und Dodrio viele Möglichkeiten bietet und nur daher nur schwer zu schlagen ist, tat sich als eine Art Überflieger unter allen neuen Decks hervor. Was dieses Deck allerdings daran hindert, noch mehr gespielt zu werden, sind zum einen die schwer erhältlichen Karten, wie etwa die Worlds-Promo Tropical Beach und die in Deutschland nicht verkauften Promo-Litwicks, zum anderen der spielerische Anspruch, der doch deutlich über dem der anderen bekannten Decks liegt.
Es ist deutlich zu sehen, dass sich das globale Metagame ständig verändert, doch nicht jedes lokale Metagame ist dabei gleich weit fortgeschritten. Während zum Beispiel der Westen Deutschlands längst von Chandelure und CaKE erobert wurde, sieht man im Osten noch Decks wie MagneBoar und ZPST in den Tops, die global schon fast zum alten Eisen gehören (zumindest in der Masters Division). Das heißt nicht, dass ein guter Spieler damit nichts mehr gewinnen könnte, allerdings zeichnen sie sich im Vergleich zu anderen global beliebten Decks als weniger spielstark ab. Auf der anderen Seite jedoch findet man im mittleren Feld in Nordrhein-Westfalen immer noch überdurchschnittlich viele Reshiram-Decks, während diese in den meisten anderen Regionen selten genug geworden sind, um dort das dagegen anfällige, aber ansonsten extrem starke Durant zu einem effektiven Deck werden zu lassen.
Es ist also immer wichtig, das lokale Metagame zu erkennen, um zu wissen, was die beste Deckwahl ist. Mit jedem Turnier, mit jeder Entscheidung der Spieler ändert sich das Metagame ein klein wenig, und so lange das so ist, wird es niemals das "einzig wahre" Deck geben - und das ist auch gut so.