Masterarbeit - Abschnitt 1
Das "Pokémon"-Franchise zwischen Globalisierung und "glocalizing":
Eine medial-kulturelle Analyse von "Japanhaftigkeit"
Einleitung
Es gibt viele Wege, um ein mediales Konzept in eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte zu verwandeln,
die über einen lokalen Erfolg hinausgeht. Durchaus basiert solch eine Erfolgsgeschichte auf detaillierten
Marktanalysen, die sich zudem demographischen und kulturellen Gesichtspunkten widmen. Erfolg kann in diesem
Sinne „geplant“ sein, bedarf dabei jedoch von vornherein eines bewussten Einsatzes von Finanzmitteln in
Verbindung mit der Erfassung eines möglichst weitläufigen Publikums. Wie unzählige Produkte, Phänomene und
Erfindungen beweisen, ergibt sich der spätere Erfolg jedoch mindestens ebenso häufig aus Zufall. Erfolg
kann in diesem Sinne ein Resultat von Vergesslichkeit (wie unter anderem Penicillin und die Mikrowelle
beweisen1) oder einer Unterschätzung des Potenzials des Ausgangsprodukts sein.
Eben diese Unterschätzung ist dem heute weltbekannten „Pokémon“-Franchise widerfahren.
Konzipiert von dem damals 30-jährigen japanischen Spieleentwickler Satoshi Tajiri, kam das erste „Pokémon“-Spiel
im Februar 1996 auf den japanischen Markt, und zwar ohne besonders aufwändige Promotion. Die verwendete
Plattform, der Nintendo Game Boy, war technisch bereits betagt und Tajiris Konzept basierte auf seinen
Kindheitserinnerungen. Mit Vorliebe hatte er Insekten beobachtet und gesammelt. Nun fand sich eben dieses
Konzept in dem Videospiel wieder. Nichts schien darauf hin zu deuten, dass es sich innerhalb eines Jahres
in Japan mehr als zehn Millionen Mal verkaufen würde2. Ebenso wenig wies darauf hin, dass daraus ein Franchise entstehen
sollte, das in den nächsten zehn Jahren einen weltweiten Umsatz von 25 Milliarden US-Dollar3 erzielte.
Franchises sind heute global operierende und prestigeträchtige Instanzen, die Unternehmen aus allen nur
erdenklichen Bereichen involvieren. Sei es die Gastronomie, eine bestimmte Sparte des Einzelhandels oder
eben die so vielfältige Medienindustrie: Franchises umspannen den gesamten Globus und beabsichtigen,
mittels durchdacht gewählter Marketingclaims Konsumenten4 zum Kauf der eigenen Produkte respektive der
Inanspruchnahme eigener Dienstleistungen zu animieren. Es sind zwei Dinge, die im Zuge der Aufrechterhaltung
des Erfolges eine bedeutsame Rolle spielen. Und zwar insbesondere im Falle von medialen Franchises, wie es
bei „Pokémon“ der Fall ist. Erstens muss es sich immer wieder neu „erfinden“, um sein bestehendes
Unterhaltungsuniversum langfristig attraktiv zu gestalten. Dabei ist eine Berücksichtigung der Wünsche
von bestehenden Anhängern als auch die betonte Erfassung neuer Anhänger essenziell. Zweitens positioniert
es sich sowohl auf einer globalen als auch auf einer lokalen Ebene. Mit anderen Worten: Ein prosperierendes
Franchise befindet sich in einem steten Wandel und ist international bekannt, bekennt sich darin aber auf
einer feineren Ebene zu den spezifischen Wünschen einer lokalen Klientel. Ich möchte mich anhand einer
Analyse des „Pokémon“-Franchises der Tatsache widmen, wie es vermeiden konnte, sich als ein Kurzzeitphänomen
(„fad“) zu entpuppen und dabei auf ungewöhnliche Weise seine kulturellen Wurzeln mal unübersehbar sind,
jedoch ebenso kaschiert oder gar ignoriert werden.
Es ist „Japanhaftigkeit“, die dem „Pokémon“-Franchise ohne Frage inhärent ist. Diese ist, so werde ich
aufzeigen, von den dahinter stehenden Unternehmen teilweise bewusst gesetzt und resultiert in einer
kulturellen Horizonterweiterung der Rezipienten. Jedoch bleibt diese Horizonterweiterung den westlichen5
Rezipienten stellenweise versagt, oder aber, sie untergraben diesen Umstand gar und eignen sich das
Franchise auf sehr individuelle Weise an. Mittels teils fantasiereicher „agency“ modellieren Rezipienten
einen „Pokémon“-Teilbereich gemäß ihrer Vorlieben, wogegen die verantwortlichen Konzerne, zumindest bis
zu einem gewissen Grade, machtlos sind.
Das Konstrukt „Pokémon“, so möchte ich argumentieren, oszilliert daher zwischen den Begriffen
„Globalisierung“ und „glocalizing“. Im Zentrum dieser Arbeit soll stehen, inwiefern ein mediales Franchise
aus Herstellersicht aufgebaut sein kann und Rezipienten dieses aufgrund ihrer unterschiedlichen Hintergründe
interpretieren. Nach einer grundlegenden Einordnung des „Pokémon“-Franchises und einer Begriffsklärung von
Globalisierung und „glocalizing“, werde ich die dem Franchise inhärenten Synergien und Distinktionen
untersuchen. Die Gewichtigkeit von Sprachen, das „Neutralisieren“ von Inhalten und die Zentralität der
japanischen Kultur werden dabei im Mittelpunkt stehen. Wichtige Stichworte in meiner eingehenden Analyse
sind unter anderem Macht, Geschlechterrollen, Raum, Zeit, Identifikationspotenzial und der Stellenwert
von Nostalgie. Von enormer Wichtigkeit ist ferner das Schlagwort Ambiguität. Auch der Vergleich mit
einem anderen Franchise aus der Populärkultur und eine nähere Betrachtung eines „Pokémon“-Mangas
werden eine Rolle spielen. Dass sich dadurch Überschneidungen mit soziologischen, kulturellen und
psychologischen Feldern ergeben, dürfte offensichtlich sein. Beziehen werde ich mich dabei
insbesondere auf die Erkenntnisse des Sozialwissenschaftlers Shingo Shimada, die er aus einem
Kulturvergleich zwischen Europa und Japan gewonnen hat; und auf die Argumentationen Tanner Mirrlees‘
hinsichtlich globaler Unterhaltungsmedien. Explizit medienwissenschaftliche Konzepte (Kinder) und
historisch-wirtschaftliche Vorstellungen Japans (Murphy) werde ich im Zuge meiner Argumentation
heranziehen und mit Literatur, die die Unterschiede zwischen japanischer und US-amerikanischer
Medienlandschaft vornimmt (unter anderem Tobin, Brenner und Kelts), unterfüttern.
So erhoffe ich mir, einen fruchtbaren Beitrag zu einem aktuell sehr bedeutsamen medienwissenschaftlichen
Diskurs zu leisten. Denn die betrachteten Medienfelder (das Medium des Videospiels, das Fernsehen,
der Comic etc.) konvergieren heute durchaus zu solch einem Grade, dass sie letzten Endes eher Hybriden
als singulären Unterhaltungsentitäten entsprechen. Ein vereinfachter und multiplerer Zugang seitens
der Konsumenten verschärft diese Ausdifferenzierung im kommunikativen und im geografischen Sinne.
Auf zwei Aspekte, auf die ich besonderen Wert lege, möchte ich noch hinweisen.
Obgleich die Berücksichtigung kultureller Aspekte wie gesagt einen großen Teil dieser Arbeit
ausmacht, ist sie dennoch betont medienwissenschaftlich. Denn „Pokémon“ ist immer etwas, mit
dem man sich dank eines bestimmten Mediums auseinandersetzt. Außerdem ist mir wichtig,
dass diese Arbeit keine Betrachtung aus „Fan“-Perspektive darstellt. Ich kann mich nicht
davon freisprechen, auch persönlich von dem Unterhaltungswert des Franchises angetan zu sein, doch
liegt es mir fern, diesem Aspekt Dominanz einräumen zu wollen. Vielmehr ist mein Anspruch, dass
mein Interesse und meine Fachkenntnis dazu beitragen, diese Arbeit im wissenschaftlichen Sinne
besonders fundiert zu gestalten.
Das „Pokémon“-Franchise im Kurzporträt: Grundkonzept, Geschichte und aktuelle Bestrebungen
Seinen Ursprung hat das „Pokémon“-Franchise in dem oben erwähnten Videospiel „Pokémon Rot & Blau“6
(1996, Nintendo Game Boy, Game Freak). Das Grundkonzept dieses „Role Playing Game“ (RPG),
das innerhalb des Franchises als „Hauptreihe“7 bezeichnet wird, sieht vor, dass der Spieler in einer
fiktiven Spielumgebung mit dem Ziel konfrontiert wird, ein sogenannter „Pokémon-Meister“ zu werden.
Die Pokémon („pocket monsters“) sind Fantasie-Hybridwesen, die der Spieler als „Trainer“ mit sich
führt. In Kämpfen treten die Pokémon gegeneinander an, führen die Befehle des Trainers aus und
steigern dadurch ihren Erfahrungslevel. Der Spieler misst sich mit anderen Trainern und ist zum
Ansammeln sogenannter Orden angehalten, die er erhält, sofern er besonders starke Trainer
(„Arenaleiter“) besiegt. Neben dieser Wettkampfkomponente ist das Sammeln und Pflegen der
Pokémon evident. Der Spieler muss seine Pokémon zwischen den Gefechten in sogenannten „Pokémon-Centern“
heilen, kann sie mithilfe von verschiedenen Artefakten stärken oder die Entwicklung eines Monsters
bewirken (vergleichbar mit der metaphorischen Verwandlung einer Raupe in einen Schmetterling).
Zudem begegnet er im Spiel „wilden“ Pokémon, die er mittels spezieller „Pokébälle“ einfangen kann.
Die ursprüngliche Anzahl von 151 Pokémon im ersten Videospiel ist bis heute auf über 700 Wesen
angewachsen. Die Pokémon sind basierend auf Elementen nach verschiedenen Typen eingeteilt. Dies
resultiert in einem „Stein-Schere-Papier“-Prinzip, das in den Kämpfen Vor- und Nachteile
hervorbringt. Ein Pokémon des Typs „Wasser“ ist beispielsweise einem „Feuer“-Pokémon eindeutig
überlegen, während ein Pokémon des Typs „Boden“ bei einem „Flug“-Pokémon mittels einer Attacke
nur wenig Schaden anrichtet. Jederzeit hat der Spieler Zugriff auf den sogenannten „Pokédex“,
eine Art elektronisches Lexikon, in dem jedes Pokémon einen Eintrag besitzt (vergleichbar mit
den Informationstafeln, wie sie vor Tiergehegen in Zoos zu finden sind). Sobald der Spieler einem
wilden Pokémon das erste Mal begegnet, zeigt ihm der noch unvollständige Eintrag immerhin an,
in welchen Gebieten der Spielumgebung dieses Pokémon anzutreffen ist. Indes füllt sich jeder
Eintrag erst dann mit sämtlichen Informationen (ein Beschreibungstext des Wesens des Pokémon,
Angaben zu Größe, Gewicht etc.), sobald das betreffende Pokémon sich tatsächlich in seinem Besitz
befindet. Der Spieler, so lässt sich festhalten, erzielt demnach nur dann den von den Entwicklern
intendierten Progress, sofern er sich gleichsam auf das konstante Erforschen neuen Raumes,
zeitintensives Kämpfen und das Einfangen weiterer Pokémon konzentriert. Damit übereinstimmend
lautet der Marketingclaim des Franchises „Schnapp‘ sie dir alle!“ (bzw. „Gotta catch ‘em all!“).
Die hinter dem Videospiel stehenden Unternehmen (insbesondere sind dies Nintendo, das Entwicklerstudio
Game Freak und das wenig später gemeinsam gegründete Unternehmen The Pokémon Company) haben
diesen Sammel- und Wettkampfgedanken daraufhin auf unzählige Medien und Produkte übertragen.
Dazu zählen unter anderem eine Animationsserie (seit 1997, Japan, TV Tokyo), mehrere Spielfilme,
ein Sammelkartenspiel, Comic-Reihen und natürlich unzählige weitere Videospiele anderer Genres.
Schon hier zeigt sich, dass sich der Akkumulationsgedanke als im transmedialen Sinne besonders
vorteilhaft und im wirtschaftlichen Sinne erfolgsstiftend erweisen sollte. Kinder, die Pokémon
zunächst digital sammelten, sollten dazu animiert werden, dies anschließend auch in Form von Sammelkarten,
Actionfiguren, Schlüsselanhängern oder Beipackware in Fastfood-Menüs zu tun (letztgenannter Aspekt
demonstriert, nicht zum letzten Mal, wie Synergien zwischen unterschiedlichen Franchises entstehen können).
Pokémon tauchten in den kommenden Jahren an allen nur erdenklichen kommerziellen Produkten respektive
im Rahmen von Dienstleistungen auf – sei es auf Suppendosen, auf Flughäfen oder als Maskottchen der
japanischen Fußball-Nationalmannschaft. Bis ins Jahr 2016, also innerhalb von zwanzig Jahren, setzte
das Franchise mehr als 280 Millionen Videospiele ab, distribuierte die Animationsserie in 95 Länder
und erzielte insgesamt Einnahmen in Höhe von knapp 46 Milliarden US-Dollar.8 Dass von dieser Summe
45 Prozent den japanischen Markt und 55 Prozent den ausländischen Markt betreffen9, demonstriert,
wie wichtig eine adäquate Balance zwischen allen Märkten und der Annäherung einzelner Märkte ist.
Globalisierung und „glocalization“
Grundlegende Begriffsklärung
Tanner Mirrlees eröffnet eine durchdachte Differenzierung zwischen den Begriffen der Globalisierung
und der „glocalization“ unter einer medienwissenschaftlichen Perspektive. Globalisierende
Unterhaltungsmedien würden Gesellschaften und Kulturen nicht etwa reflektieren, sondern deren
Sinnstiftung übernehmen: „Entertainment media conveys an array of representations of societies
and cultures, which may shape how people perceive themselves and the world. […] In sum,
entertainment media is a significant agent of socialization (and acculturation). […] [It is]
a source of explicit or tacit influence in society.“10 Dabei lässt Mirrlees nicht außer Acht,
dass derartige Medien natürlich ebenso kommerzielle Gegenstände darstellen. Ein jeder dieser
Gegenstände stehe im Zuge des Überschreitens von Ländergrenzen für das Produkt eines
bestimmten sozioökonomischen Systems (auch bekannt als Kapitalismus) und sei Repräsentant
einer bestimmten kulturellen Fasson (auch bekannt als „consumerism“ bzw. „Verbraucherherrschaft“).11
Während der Anspruch eines weltweiten Publikums von großen Unternehmen schon seit Jahrzehnten verfolgt
wird und somit nichts Innovatives darstellt, ist die sogenannte „glocalization“ eine vergleichsweise
neue Herangehensweise. Oft wird sie mit den Worten „thinking globally and acting locally“ beschrieben.
„Glocalization“ ist abgeleitet vom japanischen Begriff „dochakuka“. Japanische Landwirte beschrieben
mit diesem Wort einst die Strategie, das Bearbeiten ihrer Felder auf lokale Begebenheiten abzustimmen.12
Mit anderen Worten: Es wurde das gesät und so gearbeitet, dass unter den herrschenden klimatischen
Bedingungen maximaler Ertrag erreicht werden konnte.
„Glocalization“-Beispiele und synergetische Kräfte
Moderne Franchises haben dieses Prinzip übernommen und es lässt sich besonders verständlich an
einigen Beispielen aus der Gastronomie nachvollziehen. Der US-amerikanische Fastfood-Konzern McDonald’s
wirbt auf seiner deutschen Website explizit mit den Worten „Zutaten aus der Heimat“ und verweist
unter anderem darauf, dass seine Burger mit Simmentaler Rind „zu 100 Prozent aus Deutschland“ stammten.13
Umgekehrt bietet das Unternehmen zum Frühstück in den USA einige Produkte an, die deutschen Konsumenten
vorenthalten sind, wie beispielsweise „Hash Browns“ und den Frühstücksburger „Steak, Egg & Cheese Biscuit“.
Ähnliches zeigt sich bei einem Blick auf die länderspezifischen Produktangebote des US-amerikanischen
Gastronomieunternehmens Dunkin‘ Donuts. Während das deutsche Standardsortiment Kunden unter anderem
Donuts mit dem hierzulande beliebten „Nutella“-Aufstrich anbietet14, offeriert man schwedischen Kunden
den „Swedish Flag“-Donut15. „Danishes“ sind ausschließlich in US-amerikanischen Filialen des Unternehmens
verfügbar16, während herzhafte Baguettes namens „Tostadas“ exklusiv in Spanien offeriert werden.17
Diese Beispiele zeigen meines Erachtens sehr anschaulich, wie global operierende Unternehmen mittels
einer erhöhten Sensibilität verschiedene Länder-Zielgruppen ansprechen. Das schließt nicht aus,
gewisse Produkte bzw. Dienstleistungen international genormt anzubieten, doch ist es eindeutig Teil
der Strategie, Anreize mit wohlbedachter nationaler Komponente zu schaffen.
Die von mir gewählten Beispiele und die Worte Mirrlees‘ zeigen außerdem zwei weitere Aspekte,
die Globalisierung und „glocalization“ mit sich bringen. Zum einen, dass man eine eindeutige
Grenze zwischen diesen beiden Feldern nicht ziehen kann. Vielmehr sind sie komplementär,
ja synergetische Bestandteile der Strategie eines Unternehmens. Häufig ist Konsumenten nicht bewusst,
welche Bestandteile eines Angebotes das Label „exklusiv“ tragen bzw. diversifiziert sind, denn sie
haben vielmehr das Gesamte im Auge. Dass dieser synergetische Ansatz im Sinne von „try to get
consumers to move from screen to screen, store to store, platform to platform, spending money
along the way“18 gerade dem „Pokémon”-Franchise inhärent ist, wird sich im Verlaufe dieser
Arbeit noch herausstellen.
Außerdem ist festzuhalten, dass vor allen Dingen US-amerikanische Unternehmen ein Konzept
im Sinne der Globalisierung betreiben. Unter Bezugnahme auf Legrain erläutert Mirrlees,
dass sich dies ganz unterschiedlich interpretieren lasse. Aus negativer Sicht sei
Globalisierung „US cultural imperialism in disguise“19 und würde das Medienangebot
weltweit arg homogenisieren.20 Die positive Perspektive geht davon aus, dass Rezipienten
das medial Vermittelte nicht etwa „blind“ annehmen, sondern es hinterfragen und mit den
eigenen Lebensumständen vergleichen. So werde aus den weltweit zirkulierenden
US-Unterhaltungsprodukten „an empowering force of cultural exchange and diversity“,
was geradezu ein Kaleidoskop an unterschiedlichen nationalen Kulturen entstehen lasse.21
Natürlich lässt sich diese Interpretationsfrage nicht eindeutig klären und wird
innerhalb der Medienwissenschaften weiterhin rege diskutiert. Daher denke ich, dass es
gerade im Rahmen dieser Arbeit fruchtbar sein wird, diese Problematik zu analysieren.
Schließlich trifft hier der Ansatz von Globalisierung und „glocalizing“ mit einem
japanischen Ursprung auf Medienlandschaften aus anderen Erdteilen. Welche Kräfte
innerhalb dieser Begegnung dominieren, warum und zu welchem Grade sie dies tun,
ist eine hochkomplexe, und dadurch umso betrachtenswertere Angelegenheit. Denn diese
Kräfte mögen, wie sich noch herausstellen wird, mal wirtschaftlich, dann wieder
historisch oder auch technisch bedingt sein. Abschließend sei an dieser Stelle
Mirrlees‘ Definition dessen wiedergegeben, was seines Erachtens „explicitly national
boxed entertainment media“ auszeichnet. Auf diese Definition, die vier zentrale Punkte umfasst,
werde ich nämlich folgend immer wieder verweisen. Explizit nationale Unterhaltungsmedien zeichnen
sich demnach dadurch aus, dass sie…
- ...sich im Besitz von Unternehmen aus einem bestimmten Land befinden bzw. diese Unternehmen das Produkt/die Dienstleistung finanzieren.
- ...von Firmen und Angestellten aus einem bestimmten Land produziert bzw. erschaffen werden.
- ...„national stories“ vermitteln, welche den Präferenzen der nationalen Rezipienten entsprechen.
- ...von Rezipienten in anderen Ländern als „one country’s ‘national‘ entertainment“ erkannt und konsumiert werden22.
Quellen
1http://www.wiwo.de/technologie/forschung/glueck-missgeschick-vergesslichkeit-zehn-zufaellige-erfindungen/7042042.html#image Abgerufen am 05.08.2016.>
2Pokemania: Secrets behind the international phenomenon. Online abrufbar unter: http://academiccommons.columbia.edu/item/ac:109287. Abgerufen am 16.07.2016
3Kelts, Roland: Japanamerica. How Japanese Pop Culture Has Invaded the U.S. Palgrave Macmillan. New York, USA; Basingstoke, England 2006. Seite 89.
4Im Sinne eines besseren Leseflusses werde ich auf eine Schreibweise wie „Rezipienten/Rezipientinnen“ verzichten. Ist von „Rezipienten“, „Konsumenten“ etc. die Rede, sind damit beide Geschlechter gemeint.
5Mir ist bewusst, dass es prekär ist, diesen Begriff unreflektiert zu verwenden. Hier sei er jedoch im Sinne Shimadas gewählt. Simpel gesagt verweist er auf den Gegensatz zwischen dem japanischen Kulturraum auf der einen, und dem europäischen sowie US-amerikanischen Raum auf der anderen Seite. Diese Distinktion wird in Abschnitt sechs noch deutlicher werden, wenn ich Shimadas Konzept näher einbeziehe.
6Genau genommen erschien das Videospiel erstmals als „Rot & Grün“ im Februar 1996 in Japan. Da das Videospiel in sämtlichen anderen Regionen jedoch als „Rot & Blau“ erschien, und auch in Japan im Nachhinein die Version „Blau“ auf den Markt kam, halte ich die Begriffsverwendung „Rot & Blau“ an dieser Stelle für angebracht.
7Mit der folgenden Beschreibung ist das grundlegende Spielgeschehen eben jener Hauptreihe gegeben. Sie gilt als wichtigste Instanz innerhalb der mannigfaltigen „Pokémon“-Spiele und erscheint seit dem Debüt der „Pokémon“-Reihe 1996 für Nintendos tragbare Videospielsysteme. Fans bezeichnen jede Fortsetzung als eine sogenannte neue „Generation“, die siebte Generation erscheint im November 2016. Drei Elemente sind dabei zentral: Jede Generation bringt eine gewisse Anzahl an neuen Pokémon mit sich, das grundlegende Spielprinzip blieb seit 1996 jedoch unangetastet. Außerdem veröffentlicht Nintendo jede neue Generation der Hauptreihe unter einer „Doppelperspektive“ (was nebenbei bemerkt eine geradezu ironische Überschneidung mit dem Kulturvergleich-Anspruch Shimadas ist). Jeder Teil der Hauptreihe stellt nämlich nicht ein singuläres Spiel dar, sondern erscheint in zwei Versionen („Gold & Silber“, „Schwarz & Weiß“, „Sonne & Mond“ etc.). Die Unterschiede sind dabei marginal und kommerziell intendiert: Eine kleine Auswahl an Schauplätzen und Pokémon ist der jeweiligen Version exklusiv vorbehalten. Um eine neue „Pokémon“-Generation in Gänze zu erfahren, sind Spieler demnach dazu gezwungen, ihre Videospielsysteme mit Besitzern des Äquivalents zu verbinden, oder aber, beide Versionen zu erwerben.
8http://www.pokemon.co.jp/corporate/en/data/. Abgerufen am 16.07.2016.
9http://www.pokemon.co.jp/corporate/en/data/. Abgerufen am 16.07.2016.
10Mirrlees, Tanner: Global Entertainment Media. Between Cultural Imperialism and Cultural Globalization. Routledge. New York, USA; London, England 2013. Seite elf und zwölf..
11Ebenda. Seite neun.
12Ebenda. Seite 198.
13https://www.mcdonalds.de/produkte/simmentaler-rindfleisch Abgerufen am 17.07.2016.
14https://www.dunkin-donuts.de/food/donuts/ Abgerufen am 17.07.2016.
15https://dunkindonuts.se/food/donuts/ Abgerufen am 17.07.2016
16http://www.dunkindonuts.com/dunkindonuts/en/menu/food/bakery/other/danishes.html Abgerufen am 17.07.2016.
17http://dunkincoffee.es/menu/tostadas/ Abgerufen am 17.07.2016.
18Mirrlees, Tanner: Global Entertainment Media. Between Cultural Imperialism and Cultural Globalization. Routledge. New York, USA; London, England 2013. Seite 86.
19Ebenda. Seite 20.
20Mirrlees zitiert hier außerdem aus einem Interview mit George Lucas. In diesem äußert er sich negativ über die US-Fernsehserie „Dallas“ (USA, 1978 bis 1991, CBS). Weltweit würden Menschen eine reiche Familie aus Texas beobachten und deren „grand lifestyles“ als Ideal betrachten. Und zwar mit dem Ergebnis: „They say this is what I want to be. That destabilizes a lot of the world.”
21Ebenda. Seite 20.
22Ebenda. Seite eins und zwei.